© Stefanie Ingwersen, Stadt Marburg
„Von Anfang an war die Idee, dass das Gebäude dem gesamten Stadtteil zugutekommen soll“, sagte Gerd Kaut, Architekt des Büros Artec Architekten, während der Führung durch das Familienzentrum am Stadtwald. „Dieser Gedanke erklärt auch sehr gut die innere Struktur, die so aufgeteilt ist, dass sich der großzügige Kita- und Krippenbereich jeweils für sich abgetrennt betreiben lässt, während zum Beispiel Schüler*innen von der Bettina-von-Arnim-Schule den Bewegungsraum für Yoga oder Ähnliches nutzen können.“
Ein Familienzentrum für den Stadtwald
Sowohl Küche und Mensa im Erdgeschoss, als auch der Bewegungsraum im Obergeschoss und die Besucher*innen-Toiletten können bei Bedarf separat erschlossen werden und sollen so über die Kitanutzung hinaus für den Stadtteil nutzbar sein. Die Mensa des Familienzentrums kann bei Veranstaltungen zum Vorplatz geöffnet werden und ihre Möglichkeiten damit räumlich erweitern. Die Spielflächen wurden altersstufengerecht gestaltet. In beiden Etagen gibt es einen Spielflur, der mit großzügigen Fensterelementen nahezu natürlich belichtet ist und hohe Aufenthaltsqualität bietet. Rückseitig sind „dienende Räume“ angeordnet (Besprechung, Hauswirtschaft, Therapieräume).
© Stefanie Ingwersen, Stadt Marburg Die Kita im Familienzentrum befindet sich in kirchlicher Trägerschaft und die Krippe ist eine Einrichtung der Initiative für Kinder-, Jugend- und Gemeinwesenarbeit (IKJG). Die im Stadtteil ansässige Bettina-von-Armin-Schule benötigte zudem eine Erweiterungsfläche. Beide Gebäude sind über die zugehörigen Außengelände miteinander verbunden. So wurde ein Ort mit vielseitigen Nutzungen geschaffen, um den Gedanken der Inklusion übergreifend zu verwirklichen. Die Zugänge zum Gebäude als auch das Gebäude selbst sind barrierefrei.
Ein Ort der Nachhaltigkeit, des Spielens, des Lernens und des Zusammenkommens
Das Familienzentrum vereint Nutzen und Nachhaltigkeit. Der freistehende Massivbau ist mit begrüntem Flachdach und einer nachhaltigen Holzfassade ausgestattet. Das Regenwasser nimmt ein Naturspeicher mit integriertem Biotop auf. Es wird über Abläufe in den Wald zurückgeführt. Die Wärmeversorgung erfolgt über Fernwärme von den Stadtwerken. Die Lüftung wird durch Geothermie vorgekühlt und gewärmt. Nachtauskühlung, Oberlichter, ein hoher Anteil von Sichtbetonflächen und Lüftungsöffnungen im Dach unterstützen den sommerlichen Wärmeschutz. Insgesamt wird das Gebäude durch nachhaltige Materialien, helle Räumlichkeiten und eine kindgerechte Gestaltung bestimmt.
Die Besucher*innen interessierte vor allem, was die größten Herausforderungen sind, wenn ein solches Bauprojekt verwirklicht wird. Oliver Kutsch, Fachbereichsleiter Immobilien und Freianlagen der Stadt Marburg, erklärte, dass es im Falle des Familienzentrums zum einen die großen Erdmassen waren, die vor Ort ausgetauscht werden mussten, bevor mit dem Eigentlichen begonnen werden konnte. Zum anderen seien es die vielen verschiedenen und immer detaillierter werdenden Bauvorschriften, deren Prüfung und Einhaltung immer mehr Zeit in Anspruch nehme.
Neuer Lernort für die Grundschule Marbach
© Universitätsstadt Marburg Der Erweiterungsbau der Grundschule Marbach ist mit dem Bildungsbauprogramm BiBaP der Stadt Marburg entstanden. Ziel der Baumaßnahme war es, zusätzliche Unterrichtsräume zu schaffen und einen Bereich für die Cafeteria zu bauen. Grund für den Bedarf waren die steigende Zahl der Schüler*innen sowie die Entwicklung zum Ganztag und die damit verbundenen längeren Aufenthaltszeiten, zum Beispiel für AGs und die Nachmittagsbetreuung.
Das Gebäude hat die Form eines Quaders und zwei Geschosse. Im Obergeschoss befinden sich zwei Klassenräume, ein Raum mit Bewegungs- und Rückzugsmöglichkeiten und ein offener Bereich. Im Erdgeschoss sind zwei Gebäudefronten vollständig mit großen Fenstern gestaltet. Dort sind Speisesaal und Foyer untergebracht. Eine Küche, in der vorgefertigte Speisen erwärmt werden können, ein Lager, Kühlräume und Sanitärräume sowie Technik finden dort ebenfalls Platz. Das Gebäude ist nach hohem energetischem Standard gebaut, verfügt über eine Heizungsanlage mit Erdwärme, ein begrüntes Flachdach sowie Photovoltaik. Die Räume sind mit Sichtbeton, großzügigen Fensterfronten, warmen Materialien (Lärchenholz) und Linoleumboden in hellem Grün gestaltet. In so genannten Lernwaben aus Holz können sich die Grundschüler*innen zurückziehen. Der Höhenunterschied zwischen Straße und Erdgeschoss wird durch eine rollstuhlfahrer*innengerechte Rampe überwunden und das Gebäude somit barrierefrei erreichbar.
Multifunktionale Ausstattung sorgt für Flexibilität und mehr Möglichkeiten
© Rebecca Druschel, i. A. d. Stadt Marburg „Die Räume sind multifunktional gestaltet, das gehört zum pädagogischen Konzept für das Gebäude. So hat die Mensa beispielsweise mobile Möbel, die bei Bedarf beiseite gerollt und somit Raum für Spiele geschaffen werden können“, erläuterte Kristin Dirschl, Architektin vom Büro Dirschl & Federle bei der Führung durch die Grundschule Marbach. Die Clusterzonen sind durch gläserne Wände von den Klassenräumen getrennt, sodass eine Verbindung und Transparenz zwischen den Räumen entstehen. Die Räumlichkeiten lassen sich ebenfalls leicht umgestalten und stehen somit mehreren Nutzungsmöglichkeiten offen. Äußerlich wurde versucht, die neue Grundschule an die umliegenden Gebäude anzupassen.
Das Familienzentrum am Stadtwald und die Grundschule Marburg wurden von der Bundesarchitektenkammer für den Tag der Architektur ausgewählt. Die Beziehung zwischen Umwelt, Material, Mensch und Raum muss bei den ausgewählten Projekten im Mittelpunkt stehen: „Damit für alle Lebensbereiche gute und nachhaltige Gebäude geschaffen werden, die auch zukünftigen Generationen als Fundament dienen“, wie die Bundesarchitektenkammer schreibt. Bezüglich der Auswahlkriterien hat sie auch den Austausch mit den Beteiligten sowie die Stärkung des Zusammenhaltes betont.
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